Wissen und Methode
Mit der stetigen Neuproduktion von immer mehr Wissen verändert sich nicht nur die gesellschaftliche Bedeutung von Wissen (Stichwort: Wissensgesellschaft), sondern wirf zugleich auch die Frage auf, wie das neue Wissen von den Individuen in ihre Alltagskontexte aufgenommen und integriert werden.
Die Wissensforschung hat hierzu deutlich gemacht, dass sich dies in einem komplexen Wechselspiel in jeweils spezifischen intersubjektiven Konstellationen und soziokulturellen Kontexten vollzieht. Zudem wirkt das Ergebnis der individuellen Aneignung des neuen Wissens seinerseits zurück auf politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Vorstellungen. Der kanadische Wissenschaftsphilosoph Ian Hacking spricht hier von einem »looping effect« (Hacking 1999). Er zeigt am Beispiel von psychiatrischen Krankheiten, dass neue Wissensbestände aus der Medizin und Biotechnologie in Form von Risiko-Klassifikationen an die so genannten Laien herangetragen und sowohl affirmativ, produktiv als auch widerständig angeeignet werden. Darüber hinaus produzieren Forschungen und klinische Praxis nicht nur wissenschaftliche Einsichten, sondern auch bestimmte Formen von Selbstinterpretationen und Selbstverhältnissen, Varianten von Individualität und Sozialität, die sich wiederum auf der Ebene von Körper und Körperlichkeit manifestieren können.
Solche Hinweise zum Zusammenhang zwischen veränderten Regimes der Wissensproduktion einerseits und der Erfahrungen von Sozialität andererseits haben zu einer Reihe von Vorschlägen geführt, die dynamische Interaktion im Sinne einer wechselseitigen, symmetrischen Beziehung zwischen Materialität und Sozialität zu konzeptualisieren. In Konzepten wie „Biosozialität“ (Rabinow 1992), „somatische Individualität“ (Rose 2001) oder „lokale Biologie“ (Lock 2004) wird versucht, einem interaktiven Raum zwischen Laborwissen und Körperwissen, dem Entstehen eines neuen Hybridfeldes sowie den neuartigen Verhältnissen zwischen Individuen und Gesellschaft Rechnung zu tragen.
Für die Untersuchung und das Verstehen dieser Prozesse braucht es entsprechende methodische Zugänge, welche die Beschreibung und Analyse der Aufnahme, Umarbeitung und die Verfestigung der neuen Wissensformen in die Sozialräume und Lebenswirklichkeiten ermöglichen.